„Und wenn die Welt voll Teufel wär“… 

... kümmere ich mich erstmal um mich selbst. 


Vom Umgang mit persönlichen Krisen angesichts globaler Krisen.

Man traut es sich kaum zu sagen, aber vielen von uns geht es zur Zeit nicht gut. 

Drei Jahre Corona hat in vielen Familien Spuren hinterlassen, und als wir dann endlich das Ende der Winterwelle vor uns sahen, fing der Krieg an. Die Inzidenz stieg so hoch wie nie. Jedoch: wir lächeln tapfer und versichern uns gegenseitig, wir dürften uns ja nun wirklich nicht beschweren. 


Es ist sicherlich richtig, die Perspektive zu wahren. Wir erleben derzeit drei globale Krisen, aber uns geht’s ja noch gold: Der Krieg ist vor unserer Haustür, aber nicht über die Schwelle getreten. Corona ist zwar nicht vorbei, aber mit Impfung und Maske ist das Risiko einer schweren Erkrankung eingeschränkt. Der Klimawandel wird der Menschheit die Lebensgrundlage nehmen, aber zumindest in Hamburg sind die Sommer deutlich weniger verregnet. 


Aber die drei Krisen sorgen in unseren Köpfen für einen Daueralarm, den man sich nicht entziehen kann, selbst wenn man konsequent die Nachrichten ausblendet. Daueralarm sorgt für die dauerhafte Ausschüttung von Stresshormonen. Das macht krank. Kurzfristig sorgt es auch dafür, dass wir mit den Herausforderungen unseres Alltags nicht mehr so gut umgehen können. Wir sind gereizt und zickig und reagieren auf kleinste Unstimmigkeiten völlig unangemessen. 


Und trotzdem: „ich mache eine Kur, denn ehrlich? Ich kann nicht mehr!“ gesteht eine Freundin, die on top noch eine Scheidung zu verarbeiten hat, aber sie guckt dabei betreten, als hätte sie kein Recht auf Erschöpfung. 

Meine Bekannte A. postete unlängst Strandfotos auf Facebook – und handelte sich prompt Spitzen ein: ob es nicht unpassend wäre angesichts der Krise der Geflüchteten einen Urlaub zu genießen? Es ging aus dem Kommentar nicht ganz hervor, ob A. (die ich aus der Geflüchtetenhilfe kenne, es also niemand, der die Augen vor dem Elend der Welt verschließt) nun künftig auf Urlaub ganz verzichten oder nur heimlich in Urlaub fahren sollte. 


Und auch meine Mediationskunden relativieren ihre Not über gescheiterte Lebensentwürfe mit einem „aber wir haben ja noch ein Dach über dem Kopf, nicht wahr?“


Die freundliche Familienmediatorin hat sich dazu Gedanken gemacht.

Nein, früher war’s nicht besser. Wirklich nicht. 

Zunächst: einfach um willkürlich einen Zeitpunkt zu nennen: Vor 30 Jahren war’s nicht besser. Damals tobte der Bürgerkrieg in Jugoslawien, in Rostock-Lichtenhagen gingen Rechtsradikale auf Menschenjagd. Die Umwelt ging den Bach herunter und es wurde nicht einmal vom Ansatz gegengesteuert. Einen neuen Virus gab es gerade nicht, die Welt steckte gerade zwischen AIDS und Ebola. 


Was sich verändert hat: wir erleben Krisen in real-time, denn dank Internet und der sozialen Medien können wir 24/7 Krieg und Krise verfolgen. Was gar nicht gut für die Psyche ist, das wissen wir alle. Unsere Verhaltensmuster zu ändern und lieber einmal am Tag die Tagesschau zu sehen statt den ganzen Tag doom scrolling zu betreiben, liegt aber in unserer Verantwortung. 

Schlechte Nachrichten ziehen uns an

Bekanntermaßen funktioniert unser Gehirn immer noch genauso wie zur Zeit der Säbelzahntiger. Deshalb werden wir von schlechten Nachrichten magisch angezogen – denn wir haben mit dem Wissen über Gefahren unser Überleben gesichert. Dies machen sich heute die sozialen Medien zunutze, neben Sex sells eben auch Hunger, Krieg und Verderben. Gute Nachrichten haben es daneben schwer. Wusstet Ihr, dass in Schottland erfolgreich wiederaufgeforstet wurde? In den letzten 100 Jahren von 6 auf 18% der Grundfläche. Eben. 

Wir können ohnehin nichts machen – oder?

Wir fühlen uns oft hilflos. Die Krisen sind zu groß und wir sind zu klein? Hierzu gibt es eine schöne Parabel: 


Ein Mädchen ging einen Strand entlang, an dem nach einem Sturm abertausende von Seesternen angeschwemmt wurden. Sie fing an, einen Seestern nach dem anderen vorsichtig zurück ins Wasser zu setzen, bevor die Sonne sie austrocknen würde. 

Die Spaziergänger guckten ihr amüsiert zu. Einer sprach sie an: Warum machst Du das? Guck nur, wie viele Seesterne angeschwemmt sind, du kannst sie nicht alle retten! 

Das Mädchen erwiderte: Aber den kann ich retten. Und den! Und den auch!


https://en.wikipedia.org/wiki/The_Star_Thrower

Self Care first, dann die anderen

Was bleibt also: 

  • Wir müssen gerade in Krisenzeiten sorgsam mit uns selbst umgehen. 
  • Dazu gehört auch das Erkennen und Ändern von toxischen Verhaltensmustern, z.B. in Hinblick auf unseren Medienkonsum oder auf unsere Streitkultur.
  • Wir können mit unserem Umfeld anfangen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Da ist kein Beitrag zu klein!

Wer sich selbst vernachlässigt, nicht dafür sorgt, dass der Akku voll ist, aber dafür das Engagement für andere in den Vordergrund stellt und womöglich sogar als Flucht vor den eigenen Baustellen instrumentalisiert, der tut sich und dem Umfeld keinen Gefallen. 

Dazu gehört auch, wenn man erschöpft ist, eine Kur zu machen oder in Urlaub zu fahren, oder eben sich um seine privaten Beziehungen zu kümmern, wenn es da hakt.


Denn: der Umwelt oder den Geflüchteten hilft es überhaupt nicht, wenn es uns schlecht geht.

Und jetzt der geschickte Bogen zur Mediation!

Zur Selbstfürsorge gehören eben nicht nur gute Ernährung, genügend Schlaf und ab und an eine klärende Gesichtsmaske - sondern auch, mit unseren Beziehungen im Reinen zu sein! 

Denn wer ständig unter Druck steht, weil Streit und Unfrieden den privaten Alltag prägen, der hat keine Kraft um sich in unserer Gesellschaft zu engagieren. 


Gerade, wer sich als „Macher“ oder „Macherin“ sieht und im beruflichen Kontext und im gesellschaftlichen Engagement Probleme angeht und nicht aussitzt, sollte dies auch im privaten tun. Das ist nicht leicht. Aber dafür gibt es Hilfe. 
Zum Beispiel mich, die freundliche Familienmediatorin.